Das Erbe der Schamanin

Das Erbe der Schamanin
AR Kuppelzelt Foto: Colette Dörrwand
von 4. September 2024

Im Herzen des historischen Kurparks von Bad Dürrenberg, dort, wo die alten Bäume flüstern und die Wege sanft unter den Füßen knirschen, steht eine goldene Kugel, die auf den ersten Blick unscheinbar wirkt. Doch wer genauer hinsieht, erkennt, dass diese Kugel mehr als nur eine bloße Markierung ist – sie ist ein Tor in eine längst vergangene Zeit, eine Brücke zu einem Geheimnis, das vor Jahrtausenden tief in der Erde verborgen lag.

 

Vor 9000 Jahren lebte hier, an genau diesem Ort, eine Frau von außergewöhnlicher Kraft und Ausstrahlung. Ihre Rolle wird heute als die einer Schamanin gedeutet. Sie war vermutlich eine Hüterin alter Rituale, deren Wissen über die Natur und das Leben, sie in den Augen ihrer Gemeinschaft zu einer Art Heiligen machte. Als sie starb, wurde sie nicht einfach begraben. Ihre Gemeinschaft legte sie zusammen mit einem neugeborenen Kind und einer Vielzahl von Gegenständen, die von ihrer Macht und Bedeutung zeugten, in eine Grube. Diese Frau war womöglich ein Bindeglied zwischen der Welt der Lebenden und der Geister.

Im Jahr 1934 stieß man bei Kanalarbeiten auf die Grabstelle. Doch erst 2019, als die Überreste und Beigaben bei einer Nachgrabung geborgen und intensiv untersucht wurden, kam nach und nach die wahre Bedeutung des Fundes ans Licht. Das Wissen um die Schamanin und ihre Welt verdanken wir der unermüdlichen Arbeit der Archäologen vom Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle (Saale), die jedes Artefakt, jede Schicht und jeden Hinweis mit größter Sorgfalt analysierten.

Heute steht an der Fundstelle die goldene Kugel. In ihrem Inneren ruht ein Kristall, geschützt von neun Schichten Kunststein – jede Schicht repräsentiert 1000 Jahre der Zeit, die seitdem vergangen ist. Auf der Oberfläche der Kugel ist der Abdruck eines Rehbockgeweihs zu sehen, der an die Verbundenheit der Schamanin mit der Natur erinnert, sowie feine, in den Stein gravierte Linien, die in tiefem Blau leuchten und die Ewigkeit der Zeit symbolisieren.

Doch das Geheimnis der Schamanin wird nicht nur durch diese Kugel bewahrt. Im Schatten der alten Bäume erhebt sich ein Kuppelzelt. Betritt man es und setzt eine spezielle AR-Brille auf, beginnt die Grenze zwischen Realität und Vision zu verschwimmen. Plötzlich steht man der Schamanin gegenüber, sieht sie, wie sie durch den Wald schreitet, hört ihre Stimme und spürt die Magie, die sie einst durchdrang. Diese virtuelle Realität, die auf den neuesten Forschungsergebnissen basiert, bringt die Besucher zurück in die Mittelsteinzeit, in eine Welt, in der die Schamanin lebte und wirkte.

Ein paar Schritte weiter, entlang des Geschichtspfads, steht eine von 4 Info-Vitrinen. Sie erzählt von eben dieser Welt, von Jägern und Sammlern, die in den dichten Wäldern lebten und von der Schamanin, die als Bindeglied zwischen Menschen und Natur verehrt wurde. Ihre Geschichte ist mehr als nur ein Teil der Vergangenheit – sie ist eine Erinnerung daran, wie eng das Leben einst mit den Kräften der Natur verbunden war.

So wird die Schamanin von Bad Dürrenberg nicht nur in den Geschichtsbüchern weiterleben, sondern in den Herzen derer, die bereit sind, die Augen zu schließen, die Magie der Vergangenheit zu spüren und zu erkennen, dass die Zeit nicht nur in Jahren, sondern in Geschichten gemessen wird.

Die Präsentation greift auf den aktuellen Stand der Erkenntnisse zu. Das Buch „Die Schamanin von Bad Dürrenberg“ ist auf der Landesgartenschau erhältlich.