Zwischen Fluglärm, Straßenausbau und Prostituierten

von 22. September 2009

(ens) “Hier sind die Bürger mit ihrem Stadtteil verbunden” – mit diesen Worten begrüßten Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados am Dienstagabend die rund 300 Gäste in der Turnhalle der Grundschule Büschdorf zum zweiten Bürgerforum Halle-Ost und wies daraufhin, was schon im Stadtteil geschehen ist und was noch geplant sei. Einige Straßenbauvorhaben stünden an, insgesamt 100 Mio Euro würden in den Stadtteil fließen. Wie auch in der ersten Auflage interessierten sich die Einwohner vor allem für den Ausbau der Delitzscher Straße, den Weiterbau der Osttangente und Fluglärm.

Ein “verdammt kompliziertes Thema” sei der Fluglärm, konstatierte Planungsdezernent Thomas Pohlack. Die Rechtsgrundlagen seien nur schwer überschaubar. Die Deutsche Flugsicherung bestimme über die Abflugrouten. Die Bewohner vor Halle-Ost fordern vor allem eine gleichmäßige Auslastung der beiden Start- und Landebahnen, so dass nicht alle Flieger über den Osten der Saalestadt fliegen. Genau das sieht zwar auch das Planfeststellungsverfahren vor. Aber eben nur als “Empfehlung”. Am Verteilungsregime werde man wohl nichts ändern können, erklärte der Beigeordnete. Problematisch sei auch der fünf Kilometer breite Streukorridor, der bis in bebautes Gebiet hineinreicht. In der Fluglärmkommission, in der neben dem Flughafen auch Vertreter der betroffenen Kommunen sowie nutzenden Wirtschaftsunternehmen sitzen, habe Halle schon auf eine Änderung gedrängt. Allerdings befinde man sich in einem Spagat, so Pohlack. Man wolle nicht solche Forderungen aufstellen, dass kein Flugbetrieb mehr stattfinden kann. Das Luftfrachtdrehkreuz sei wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung der Region.

Eine Frage beim letzten Bürgerforum betraf die Berliner Straße. Anwohner beschwerten sich über Raser, eine Tempo-30-Zone war im Gespräch. Die Stadt hat gemessen. 7900 Autos waren zwischen August 2008 und September 2009 bei den Messungen zu schnell. “95 Prozent aber nur im Verwarngeldbereich”, so Oberbürgermeisterin Szabados. Gerast werde also nicht. Vielleicht verstärke ja das Kopfsteinpflaster den subjektiven Lärmeindruck. Doch hier versprach das Stadtoberhaupt auch Besserung. Denn die Berliner Straße soll mit dem Konjunkturpaket II mit Flüsterasphalt ausgestattet werden. Im Juni nächsten Jahres soll es mit bauen losgehen, im Oktober 2011 soll alles fertig sein.

Ein wichtiges Thema auch die Osttangente. Die bringe für Reideburg und Büschdorf keine Entlastungen, sondern viel mehr eine Verkehrszunahme, befürchtete ein Reideburger Bürger. Daneben könnte auch der Ausbau der Bahnstrecke Probleme mit dem Weiterbau der Osttangente mit sich bringen, Dem widersprach Dezernent Pohlack. Man habe dies genau untersucht, der “Haupterschließungsstraße Ost” werde Entlastungen bringen. Und auch an die Bahnstrecke habe man gedacht. Doch nicht jeder Anwohner glaubte den Versprechungen, Pohlack wurde als Hellseher tituliert.

Über den Zustand in der Reideburger Straße ärgerte sich ein Anwohner. Die HWA habe hier gebaut, der Straßenbelag sei aber nicht erneuert worden. “Es sieht unter aller Sau aus.” Im März will die Stadtverwaltung die Straße sanieren, war zu erfahren. Vor allem ist dies nötig, weil die Reideburger Straße als Umleitung der Delitzscher Straße fungieren soll.

Über zugewucherte Verkehrszeichen in Kanena sowie Autofahrer, die sich nicht an Rechts vor Links in der 30er Zone halten, beschwerte sich ein Anwohner aus Kanena. Die Stadt könnte doch zumindest Haltelinien auf die Straße malen, so wie es auch in anderen Stadtteilen der Fall sei. “Wir sind auch Halle”, warf er noch nach. Man werde sich alles einmal ansehen, um möglicherweise Abhilfe schaffen zu können. Vermist wurde auch Winterdienst auf einem Radweg in Reideburg. Und gefährlich sei es in der Fritz-Hoffmann-Straße. An der Kita fehle es an Parkplätzen. Wer seine Kinder zur Kita bringen wolle, lebe gefährlich. Auch Bordsteine könnten abgesenkt werden. Schön ausgebaut hat die Stadt den Radweg von Kanena nach Halle. Zu schön, Landmaschinen würden den Weg regelmäßig nutzen. Als Radfahrer müsse man dann auf die Felder ausweichen.

Den Anwohnern im Krienitzweg ist der Lärm ein Dorn im Auge – zum einen lärmt es von der Europachaussee, zum anderen von der Bahnstrecke. Weil nun die so genannte Dieskauer Kurve saniert wurde, die es Zügen erlauben soll schneller zu fahren, befürchten sie weitere Belästigungen. “Man kann nicht auf der Terrasse sitzen und sch unterhalten”, schimpfte ein Anwohner. Die Stadt habe nicht einmal eine Lärmschutzwand gebaut. An der stelle würden die gesetzlichen Grenzwerte nicht erreicht, so Pohlack. Da wären Lärmschutzzäune freiwilligen Aufgaben. Und dafür habe die Stadt das Geld nicht. Mehr Lärm befürchtet auch Herr Bless vom Bürgerverein Diemitz – durch den neuen (noch geplanten) Güterbahnhof. Außerdem interessierte er sich für den Ausbau der Berliner Straße – und möglichen Folgen für die Händler. Szabados verwies auf den Steinweg, wo Händler ganz aktiv in die Straßenbauprozesse eingebunden waren. Ähnliches wünscht sich Wirtschaftsdezernent Wolfram Neumann auch für die Berliner Straße.

92 Widersprüche gibt es gegen den Ausbau der Delitzscher Straße. Ganz vorn mit dabei: Evelyn Walter. Sie stellt bei so ziemlich allen Veranstaltungen ihren Fragenkatalog vor. Oft die gleichen, was Dezernent Pohlack etwas aus der Haut fahren lies. Er wolle ihr nicht noch einmal darlegen, was sein Dezernat ihr ohnehin schon mehrfach mitgeteilt habe. Walter stellte auch die Wirtschaftlichkeit der Straßenbahnverlängerung erneut in Frage. Es solle nur die Linie 9 zur Endstation fahren, und das auch nur tagsüber. Eine Antwort der Verwaltung und HAVAG wollte sie nicht wissen. “Ich weiß, dass es so ist”, meinte Frau Walter. Doch es ist anders. Die Linie 7 soll bis zum Spargelweg rollen. Und das auch spätabends, erklärte Egbert Kluge von der HAVAG. Auch mit den geplanten 150 Baumfällungen zeigte sich Evelyn Walter nicht einverstanden.

Martina Emsel vom Bürgerverein Reideburg sieht ihren Ortsteile einer stärkeren Belastung durch die Autobahn ausgesetzt. Seite die Autobahn erneuert wurde, liege sie um einen Meter höher und damit nicht mehr in Kessellage. Der Lärm dringe nun bis zu den Häusern. Bei der Autpbahn werde Flüsterasphalt verwendet, Lärmschutzwände seien nicht notwendig, teilte OB Szabados mit. Der Vorschlag, die Seniorenansprechstelle im Ratshofe mobil zu machen und in die einzelnen Stadtteile zu schicken, wird nun von der Verwaltung geprüft. Ebenso soll der Fußweg an einem verwilderten leerstehenden Grundstücken am Kapellenplatz wiederhergerichtet und Äste verschnitten werden. Der Kritik an den nach Urin stinkenden Bahnhofsbrücken will die Stadtverwaltung nachgehen, möglicherweise wird öfter gereinigt. Frau Gunkel leitet seit 10 Jahren einen Kreativkurs. Momentan nutzt sie kirchliche Räume. Diese aber würden langsam zu klein. OB Szabados hatte auch gleich eine Idee. Der Hort in Büschdorf werde mit dem Konjunkturpaket saniert. Abends stünden die Räume dann auch für Vereine bereit.

Tiefe Schlaglöcher in der “antiken” Büschdorfer Straße bemängelte Frau Zapf. Dezernent Pohlack will sich das im Rahmen seiner Prioritätenliste zur Straßensanierung mal anschauen. Gefährlich soll es auch in Reideburg sein. Denn viele Autofahrer (vorrangig aus dem Saalekreis) sollen die Mühlstraße als Einbahnstraße missachten. Eine Bürgerin wünschte sich deshalb mehr Kontrollen. Auch ein Thema war die schlechte Beleuchtung im Kanenaer Weg. Gerade mal zwei Straßenlaternen würden noch brennen. Zunehmende werde das Gebiet als Straßenstrich missbraucht. In Gebüschen würden Spritzen und Kondome liegen. “Und unsere Frauen werden auf dem Nachhauseweg von Autofahrern mit MQ und SK-Kennzeichen angesprochen”, so ein Anwohner. Vermisst wurde von den Büschdorfern ein richtiger Schulsportplatz. Angeregt wurde die Nutzung des ehemaligen Schulgartengeländes. Doch das will die Stadt als Bauland verkaufen, um so den Haushalt zu sanieren. Man will jetzt trotzdem gucken, wie man zumindest einen kleinen Sportplatz einrichten kann.

Mehrere Anwohner interessierten sich auch für den Busanbindungen. Näheres konnte Egbert Kluge noch nicht sagen, jedoch solle das gesamte Bussystem im Osten der Stadt auf den Prüfstand gestellt und überarbeitet werden. Den Vorschlag eines Bürgers, die Straßenbahn in der Delitzscher Straße in Randlage zu verlegen, habe man auch geprüft. Aber: das Problem seien die Grundstücksausfahrten. Daneben wolle man wieder Bäume pflanzen. Bei einer Straßenbahn in Randlage käme es da zu Problemen mit der Oberleitung.