UPDATE: Jägerschule: Ausschuss gegen Schulschließung

von 18. Januar 2011

Der Bildungsausschuss hat sich am Dienstagabend nach anderthalbstündiger Debatte gegen die Schließung der Förderschule “Am Jägerplatz” zum Schuljahresende ausgesprochen. Es gab keine Gegenstimmen, Räte von CDU und SPD enthielten sich jedoch. Zahlreiche Elternvertreter waren zur Abstimmung gekommen und applaudierten nach der Entscheidung zum Erhalt der Schule. Allerdings hat das letzte Wort im Februar der Stadtrat. Zuvor wird auch noch der Jugendhilfeausschuss die Schule thematisieren.

Im Rahmen der Diskussion warf Rene Trömel (Die Linke) der Stadtverwaltung vor, Schulentwicklungsplanung nicht nach Qualität, sondern nach Kassenlage zu machen. Ähnlich sah es Oliver Paulsen (Grüne): “die Kassenlage sollte bei der Bildungspolitik Außen vor sein.”

Unklar ist noch wie die Verwaltung reagieren wird. Möglicherweise wird Widerspruch eingelegt, ließ Bildungsdezernent Tobias Kogge durchblicken.

Halle hat derzeit fünf Förderschulen für Lernbehinderte. Mit aktuell 78 Schülern liegt die Jägerplatz-Schule unter der gesetzlich festgelegten Mindestschülerzahl von 90. Allerdings ist die Schule in diesen Bereich gerutscht, weil durch das Landesverwaltungsamt keine neuen Schüler zugewiesen wurden mit der Begründung, die hallesche Stadtverwaltung zweifele die Bestandsfähigkeit an.

Die Schulverwaltung begründet ihre Schließungspläne zum kommenden Schuljahr damit, dass die Förderschule am Jägerplatz die Mindestschülerzahl von 90 im laufenden Schuljahr unterschritten hat.

Klaus Hänsel, Vorsitzender des Schulelternrates, sowie die Eltern der Schule hegten bereits im Vorfeld den Verdacht, dass dies bewusst herbeigeführt wurde, indem das Landesverwaltungsamt (LVwA) für das laufende Schuljahr keine Zuweisungen neuer Kinder an die Schule aussprach. Entsprechend bat er das LVwA, ihm die anonymisierten Wohndaten der für das Schuljahr 2010/11 zugewiesenen Kinder mit Lernbeeinträchtigung der gesamten Stadt, immerhin 176, zur Verfügung zu stellen. Nach anfänglichem Weigern und Androhung rechtlicher Schritte wegen Missachtung des Informationszugangsgesetzes bekam er dennoch am 13. Januar dieses Jahres diese Daten übermittelt und wertete sie unter dem Gesichtspunkt Wohnortnähe zu den derzeit fünf Förderschulen für Kinder mit Lernbeeinträchtigung aus. Und siehe da: 23 Kinder wohnen näher an der Schule am Jägerplatz als der Schule, an die sie durch das Landsverwaltungsamt zugewiesen wurden, nämlich in 22 Fällen die Comenius- und in einem Fall die Fröbelschule. Diese Kinder haben seitdem einen täglichen Schulweg von bis zu fünf Kilometern.

Erstaunlicherweise gab es keinen einzigen Fall, der der Pestalozzischule zugewiesen wurde, derentwegen die Anpassung der Förderschulplätze in Halle angegangen wurde. Denn die vor Jahren teuer sanierte Schule leidet unter einer eklatanten Unterauslastung. Zurzeit besuchen lediglich 195 lernbehinderte Schülerinnen und Schüler in 19 Klassen die für bis zu 320 Kinder in 29 Klassen ausgelegte Schule. Diese Auslastung von 60 Prozent liegt sogar noch unter der Auslastung auf gesamter Stadtebene. Laut Tobias Kogge, Beigeordneter für Jugend, Schule, Soziales und kulturelle Bildung, bestehen derzeit nach dem Berechnungsschema der Verwaltung Kapazitäten für bis zu ca. 1.078 Kinder, denen aber nur 778 Schülerinnen und Schüler mit Lernbeeinträchtigung gegenüberstehen (65 Prozent). Berücksichtigt man noch das Bestreben des Landes, mehr Kinder im gemeinsamen Unterricht an den Regelschulen unterzubringen, wobei zu hinterfragen ist, ob das Land auch eine entsprechende Zahl an zusätzlichen Förderschullehrkräften zur Verfügung stellt, was derzeit verneint werden muss, ist mittelfristig nur noch mit einem Bedarf von circa 725 Plätzen zu rechnen, was der Schließung einer Schule in der Größenordnung der Pestalozzischule entspricht.

Wieso die Schulverwaltung aber ausgerechnet die kleinste der fünf Förderschulen mit einer Kapazität von bis zu 154 Schülern schließen will, bleibt nach wie vor ein unbeantwortetes Rätsel, denn diese Schließung stellt zum Abbau der Überkapazitäten nur den berühmten Tropfen auf den heißen Stein dar, löst aber nicht das Problem. Denn auch nach dieser beabsichtigten Schließung belaufen sich die Kapazitäten mit dann nur noch 924 Plätzen weit über dem, was erreicht werden will. Heißt: Die Schließung einer weiteren Schule in der Größenordnung der Comenius- oder Fröbelschule wäre unverändert erforderlich.

Insofern ist der Antrag der Grünen, dem sich die FDP anschloss, zu verstehen, nicht Jahr für Jahr und Stück für Stück über die Anpassung einzelner Schulstandorte aufgrund akutem Handlungsdruck zu entscheiden – man erinnere an die Johannesschule zu Beginn dieses Schuljahres, oder eben an die Schule am Jägerplatz -, sondern die gesamte Schulentwicklungsplanung über alle kommunalen Schulformen hinweg noch im laufenden Schuljahr zu überprüfen, da der mittelfristige Schulentwicklungsplan bis zum Schuljahr 2013/14 sich zwischenzeitlich weit von den Realitäten entfernt hat. Dies schließt sowohl die Grund- als auch die Sekundar-, Förder- und Gesamtschulen als auch Gymnasien ein. Insbesondere passt bei den Grundschulen und Gymnasien auf Stadtebene die Planung zwar noch, aber nicht mehr auf Einzelschulebene.

Oliver Paulsen (Grüne), der die wesentlichen Redeanteile im Laufe der Diskussion hielt, fand es als einen Skandal, wie die Stadträte durch die Schulverwaltung informiert wurden und das für eine solche weitreichende Entscheidung nur spät und auf Druck der Stadträte Informationen, insbesondere das Zahlenmaterial, zur Verfügung gestellt wurden. Auch missfielen ihm die widersprüchlichen Begründungen des LVwA in der Presse und der Sitzung des zum Schulgebäudeausschuss mutierten Bildungsausschusses – denn um Bildung geht es schon lange nicht mehr, sondern nur noch um die Verwaltung von Missständen im Schulgebäudebereich -, wieso zum Schuljahr 2010/11 kein einziges Kind der Schule am Jägerplatz zugewiesen wurde sowie die Entscheidungskriterien der Eltern, an welcher Förderschule ihr Kind lernen soll. Laut dem Abteilungsleiter Schulen am LVwA, Herrn Riethmüller, seien vorrangig die Profile der einzelnen Förderschulen für die Eltern relevant, weniger der Schulweg. Ob dies tatsächlich so ist, vermögen nur die Eltern der lernbeeinträchtigten Schüler zu beantworten. Herr Hänsel beantwortete dies für sich klar mit: "Das kann ich nicht bestätigen. Als wir die passende Schule für unser Kind aussuchten, das mit dem gemeinsamen Unterricht an einer Regelschule nicht zurecht kam, und davon gibt es viele, haben wir uns alle Schulprofile angeschaut und festgestellt: Es gibt keinen Unterschied zwischen den Förderschulen. Also war für uns der Standort entscheidend."

Auch wies er darauf hin, dass durch die Zuweisung von 23 Kindern in zehn Fällen der Stadt Mehrkosten durch die unentgeltliche Schülerbeförderung entstehen, da diese Kinder nunmehr einen Schulweg von mehr als 2 Kilometern haben.

Herr Schachtschneider (CDU) bemerkte zum Schluss der Diskussion, dass das Verfahren zur Schließung der Schule am Jägerplatz bisher schlecht gelaufen und durch die Schulverwaltung "dumm angefangen" war. Er erinnerte an die plötzlich festgestellten Mängel an der Verankerung der Deckenplatten und der Weigerung der Verwaltung, den Beschluss des Stadtrates zur Reparatur der Deckenbefestigungen.

Dies hat die Stadträte in ihrer Entscheidungsfindung sicher beeinflusst, darüber hinaus die Analysen der Schulelternvertretung zum Procedere der (Nicht-)Zuweisung neuer Schülerinnen und Schüler, die im Ergebnis zum gewollten Unterschreiten der Mindestschülerzahl von 90 führte.

[map=Jägerplatz 24]