Zahl der Verkehrstoten in Mitteldeutschland viel zu hoch

Zahl der Verkehrstoten in Mitteldeutschland viel zu hoch
Fotos und Grafiken DEKRA
von 8. August 2024
Entwicklung in Sachsen besonders dramatisch: Absolute Zahl stieg um 59,3%

 

Trotz einer grundsätzlich positiven Entwicklung im Bereich der Verkehrssicherheit ist für den DEKRA Gebietsleiter Ostdeutschland, Mario Schwarz, die Zahl der Verkehrstoten vor allem in Mitteldeutschland noch viel zu hoch. „Wir dürfen es nicht einfach so hinnehmen, dass Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen – neben Niedersachsen – die Bundesländer mit den meisten Verkehrstoten pro 1 Million Einwohner sind“, sagte Schwarz am Donnerstag (8. August 2024) in Leipzig bei der Vorstellung des Verkehrssicherheitsreportes 2024 und forderte u.a. die Anpassung der Infrastruktur an den rasanten Wandel des Mobilitätsverhaltens. Der Verkehrssicherheitsreport ist dem Thema „Verkehrsräume für Menschen“ gewidmet.

Nach Angaben des DEKRA Sachverständigen ist die Zahl der Verkehrstoten in Sachsen-Anhalt zwar von 70 je 1 Million Einwohner im Jahr 2022 auf 59 im letzten Jahr gesunken. Das Bundesland belege aber nach wie vor den letzten Platz im bundesweiten Vergleich. Thüringen und Sachsen stünden mit jeweils 46 Verkehrstoten je 1 Million Einwohner vor Niedersachsen in der Statistik auf dem drittletzten Platz. Auf ganz Deutschland hochgerechnet liege die Zahl der Verkehrstoten je 1 Million Einwohner bei 34.

Besonders dramatisch ist nach den Worten von Schwarz die Entwicklung in Sachsen. Dort stieg die absolute Zahl der Verkehrstoten von 118 im Jahr 2022 um 59,3% auf 188 im Jahr 2023. „Eine Erklärung dafür haben auch wir nicht“, sagte der DEKRA Gebietsleiter. Für knapp die Hälfte der Unfälle sei zu hohe Geschwindigkeit (13%), Nichtbeachtung der Vorfahrt (10,3%), ungenügender Sicherheitsabstand (9,7%), Fehler beim Linksabbieger (5,4%) und Alkohol (4,8%) die Ursache gewesen. Damit blieben noch 56,8% andere Unfallursachen, „von denen sicherlich etliche auf die Straßeninfrastruktur zurückzuführen“ seien.

Mehr denn je steht die Straßeninfrastruktur im Spannungsfeld unterschiedlichster Ansprüche. Hinzu kommt der rasante Wandel im Mobilitätsverhalten. Weiterentwicklungen in den Bereichen Sensorik, Rechnerleistung und Akkukapazität haben neue Mobilitätsformen hervorgebracht oder bisherige revolutioniert. Der Wandel vollzieht sich dabei schneller, als Anpassungen der Infrastruktur möglich sind.

„Angesichts dieser komplexen Herausforderungen sind die sorgfältige Planung und Umsetzung entsprechender Maßnahmen wichtiger denn je, um Unfälle möglichst ganz zu vermeiden oder zumindest ihre Folgen zu minimieren“, so Schwarz. Die Anforderungen an die Straße sowie den zugehörigen Seitenraum hingen dabei von vielen Parametern ab – etwa vom Zweck der Straße, von der erwarteten Verkehrsstärke und vom Modal Split, also der Nutzung der Straße mit verschiedenen Verkehrsmitteln. Nicht zuletzt spiele es auch eine Rolle, wer die Kosten für Planung, (Um-)Bau und Unterhalt trage. „Aber egal, ob Infrastruktur für den Mischverkehr ausgelegt ist, wie Orts- und Landstraßen, oder ob sie bestimmten Gruppen an Nutzenden vorbehalten ist, wie etwa Fußgängerzonen, Radschnellwege oder Autobahnen: Die Sicherheit muss immer im Fokus stehen“, forderte der DEKRA Gebietsleiter.

 

Der DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2024 „Verkehrsräume für Menschen“ steht online unter http://www.dekra-roadsafety.com zum Download zur Verfügung. Dort finden sich auch sämtliche Vorgänger-Reports inklusive weitergehender Inhalte, etwa in Form von Bewegtbildern oder interaktiven Grafiken.

 

Zehn DEKRA Forderungen für mehr Verkehrssicherheit

▪     Der immer schnellere Wandel im Bereich der Mobilität erfordert schnelle Reaktionen bei der Infrastrukturgestaltung. Planungszeiträume müssen verkürzt, hinderliche Überreglementierung reduziert werden.

▪     Für eine intakte Straßeninfrastruktur (Neubau, Ausbau und Erhalt) sind ausreichende Mittel für Investitionen bereitzustellen.

▪     Der Auf- und Aufbau einer intelligenten Infrastruktur (Car-to-Infrastructure-Kommunikation) muss forciert werden, um das volle Potenzial von Systemen des automatisierten Fahrens ausschöpfen zu können.

▪     Für vernetzte Fahrzeugtechnologien und hochautomatisiertes Fahren müssen eine zuverlässige Kommunikationsinfrastruktur sowie Standards für die Fahrzeugkommunikation gewährleistet sein.

▪     Auf unfallträchtigen Strecken muss der Ausbau von Abschnitten mit drittem Fahrstreifen im Richtungswechsel forciert werden, um ein sicheres Überholen zu ermöglichen.

▪     An kritischen Streckenabschnitten müssen vermehrt Überholverbote eingeführt und durchgesetzt werden.

▪     Der Seitenraum von Landstraßen sollte wo immer möglich frei von Hindernissen wie Bäumen, Masten etc. sein. Wo dies nicht möglich ist, sind geeignete Schutzeinrichtungen anzubringen.

▪     Eine ausreichende Zahl von gesicherten Querungsstellen für zu Fuß Gehende und Radfahrende ist unverzichtbar.

▪     Kreisverkehrsanlagen können vielerorts den Verkehrsfluss und die Sicherheit erhöhen. Dabei ist unbedingt auf ihre sichere Gestaltung zu achten.

▪     Zur Erhöhung der Akzeptanz und Einhaltung sowie generell zur Bekanntmachung speziell auch neuer Verkehrsvorschriften sollten Verkehrserziehung und Überwachung noch mehr im Fokus stehen. Ergänzende Imagekampagnen können einen wichtigen Beitrag leisten.